Es kam nicht oft vor das einer von Tamaras Schülern wirklich in der Lage war sie zu verblüffen, vor allem nicht wenn es sich dabei um eine Schülerin handelte, die den ersten Tag in ihrer Klasse war. Ohnehin war es recht ungewöhnlich, dass ein Kind noch so spät im Schuljahr neu in die Klasse kam, aber da hatte sie als Lehrerin nicht viel Mitspracherecht und musste sich den Anweisungen der Schulleitung beugen.
Die kleine Maggie Kyle war.. um es nett auszudrücken, recht arrogant. Aber da war sie nicht die einzige in der Klasse. Sie wusste, dass sie bisher von ihrem Vater zuhause unterrichtet wurde und nun schlussendlich bei ihr gelandet war, fast vor dem Ende des dritten Schuljahres. Das Auftreten des Mädchens war schon ungewöhnlich, sie war sehr selbstbewusst und sehr von sich selbst überzeugt. Nicht das, dass etwas schlechtes wäre, aber die kleine hatte etwas an sich, was es schwer machte sie richtig einzuordnen. Dazu gab sie nicht viel über sich Preis und erzählte auch nicht sehr viel über ihr familiäres Leben, was bei jedem Lehrer schon alleine die Alarmglocken läuten lassen müsste.
Nachdem sie sich dann auch noch darüber brüskiert hatte, dass Tamara als Lehrerin nur das wüsste, was in den Büchern stünde, fühlte sie sich doch tatsächlich von der 9-jährigen herausgefordert. Die Brünette hatte selbst einen überdurchnittlichen IQ und konnte schon so manchen Klugscheißer in ihrer Klasse gegen die Wand laufen lassen.. bei Maggie allerdings war das anders. Einfach Rechenaufgaben löste sie wie aus der Pistole geschossen, auch Aufgaben die in der Middle School dran genommen wurden, löste sie ohne Probleme. Als sie ihr dann aber eine Aufgabe stellte, die auch ihre Rechenkünste überschritt und im ersten Moment keine Antwort darauf zu geben wusste, dachte Tami das es somit gewesen sei. Doch sie sollte sich täuschen. Auch diese Aufgabe, für welche sie selbst den Taschenrechner benutze musste, löste die kleine im Kopf, ohne Hilfsmittel. Da war ihr klar, dass sie es mit jemandem zu tun hatte, der wirklich gefördert werden musste. So einen klugen Kopf durfte man nicht in die Mittelmäßigkeit der normalen Schule verkommen lassen.

Schon in den Pausen hatte sie versucht den Vater von Maggie zu erreichen und hinterließ ihm unzählige Nachrichten, bis er sich endlich meldete und zurück rief. Noch am selben Tag hatte sie ihn in die Schule eingeladen. Sicherlich wusste er, dass Maggie nicht wie andere Kinder war, aber manches mal wussten die Eltern von solch begabten Kindern doch nichts damit anzufangen, auch wenn sie stolz auf die Leistungen ihrer Kinder waren.
Der Tag neigte sich dem Ende und Tamara saß noch in dem Klassenraum, wo sie über einige Arbeiten drüber las und korrigierte. Neben ihr einen Becher Kaffee stehend und immer das nagende Gefühl im Nacken, dass sie alleine in der Schule war.. wenn man von dem Hausmeister mal absah, der hier zur pünktlichen Zeit, seine Runde lief. Nein, sie war nicht gerne alleine, schon gar in so einem großen Komplex wie einer Schule, aber sie musste ihre Paranoia ja auch mal irgendwann überwinden.
Das Klopfen an der Klassentür, ließ sie aufblicken und ihre Brille von der Nase ziehen. "Kommen Sie rein.", die Brünette stand von ihrem Stuhl auf und ging der sich öffnenden Tür entgegen, wo sie den Vater von Maggie mit einem lächeln empfing. "Es freut mich, dass Sie es noch einrichten konnten, Mr. Kyle.", gesehen hatte sie ihn schon bei einem Elternabend an der Schule, kurz bevor Maggie in ihre Klasse gekommen war, aber bisher kam es noch nie zu einem Gespräch zwischen den beiden, was schade war.. denn eigentlich legte sie auch großen Wert darauf die Eltern ihrer Schüler mal kennen gelernt zu haben. "Bitte, setzen Sie sich.", ihn mit einem Handdruck begrüßt, machte sie eine einladende Bewegung in Richtung des Stuhls vor ihrem Pult und schloss die Tür hinter ihm wieder. Jetzt aber verstand sie auch, wieso die Mütter einiger Schüler so hin und weg von ihm waren. Er sah verdammt gut aus, was es nur umso verwunderlicher machte, weshalb er ein alleinerziehender Vater einer 9-jährigen Tochter war.. Moment, was dachte sie denn da?! Professionalität bitte!
"Ich habe Sie herbestellt, weil ich mit Ihnen über Ihre Tochter sprechen möchte.", begann sie, als sie sich selbst wieder setzte. "Maggie ist..", sie machte eine kurze Pause und suchte nach den richtigen Worten. ".. ein ungewöhnliches Kind, ein außergewöhnliches Kind. Sie ist einen Tag hier und hat es geschafft, meinen ganzen Lehrplan für den Tag über den Haufen zu werfen.", sie schmunzelte und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. "Mr. Kyle.. ich möchte direkt auf den Punkt kommen, Sie haben sicherlich auch besseres zu tun als den Abend mit der neuen Lehrerin Ihrer Tochter zu verbringen. Maggie ist überdurchschnittlich intelligent. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Sie bewerkstelligt Mathematikaufgaben, für die andere einen Taschenrechner zu rate ziehen müssen und daher auch meine Frage ob Sie es in Erwägung gezogen haben, sie auf eine Privatschule zu schicken, oder ihren Intellekt zu fördern. Ich könnte Ihnen nun die großartigen Angebote der Schule hier vorführen, aber um ehrlich zu sein, würde ich meine Tochter auch nicht dort hinein stecken, wo es nur darum geht, eine Gleichheit zwischen den Kindern zu schaffen und nicht zu fördern oder zu fordern.", ja, es waren ehrliche Worte. Tamara war nicht begeistert von dem Schulsystem in welchem sie steckten und versuchte daher auch stets und ständig anderen Stoff mit ihren Unterricht einfließen zu lassen, oder einfach mal etwas anderes zu machen, als nur Stumpfsinnig alles abzuarbeiten, was ihr von der Verwaltung vorgelegt wurde. "Maggie gehört hier nicht her, Mr. Kyle. Ich würde gerne einen Intelligenztest mit ihr machen, wenn Sie einverstanden sind und dann, natürlich in Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrer Tochter, einen individuellen Lehrplan für sie entwickeln, der sich ganz auf ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten beziehen würde.", sie wusste selbst, dass sie ihn wohl gerade mit einigen Informationen überschwemmt hatte, aber sie hatte es leider auch schon viel zu oft erlebt, dass Eltern ihr direkt ins Wort gefallen waren und im schlimmsten Fall sogar gegangen waren.. da musste sie die Chance nutzen, die sich ihr bot.